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QB 01/2020 – Investitionen über Kreditplattformen erweitern das Anlageuniversum

Das Geschäftsmodell von Kreditplattformen kommt nicht nur klassischen Retail-Anlegern (siehe Crowdfunding) zugute, sondern vermehrt auch institutionellen Investoren. Vor allem die Anlageklasse Private Debt lässt sich bei Kreditplattformen im Vergleich zu Banken noch effizienter gestalten. Wie das im Einzelnen aussieht, erklärt Linus Sluyter, Leiter Vertriebssteuerung von creditshelf. Von Linus Sluyter.

Von Linus Sluyter, Leiter Vertriebssteuerung bei creditshelf.

Bis zu Beginn der COVID19-Pandemie zählte Private Debt bei institutionellen Investoren über Jahre hinweg zu den angesagtesten Anlageklassen. Als Folge der Finanzkrise 2008/2009 hat Private Debt durch den Rückzug der Banken aus dem Kreditgeschäft stark an Bedeutung gewonnen. Professionelle Anleger erklärten sich gerne bereit, das Funding für diese Art der Unternehmensfinanzierung zu übernehmen. Denn groß war die Verlockung auch in Zeiten der Niedrigzinsen von attraktiven und weitestgehend stabilen Renditen profitieren zu können. Der Aufschwung von Private Debt wurde auch durch eine starke Finanzierungsnachfrage der Kreditnehmer beflügelt. Dieser Trend, der ursprünglich in der angelsächsischen Welt begann, ist mittlerweile auch nach Europa gelangt. Die Kombination aus solider Wirtschaftslage und einer durch die Zentralbanken getriebenen Liquiditätsschwemme führte zu einer Welle an M&A-Transaktionen im Mittelstand. Doch klassische Banken tun sich mit dieser Art von Finanzierung gerade bei kleineren bis mittleren Transaktionsvolumen eher schwer und der Zugang zum Kapitalmarkt liegt für die meisten mittelständischen Unternehmen noch in weiter Ferne. Dieses Marktversagen eröffnete eine lukrative Nische, die durch eine zunehmende Anzahl an Private Debt Fonds schnell besetzt wurde. Noch ist es verfrüht, die Auswirkungen der durch die Pandemie verursachten Wirtschaftskrise auf die bestehenden Fonds abschätzen zu können. Doch schon bald wird sich zeigen, welche Manager selbst in guten Zeiten strenge Auswahlkriterien angesetzt haben und in welchen Portfolios noch „gefährliche Klumpenrisiken“ schlummern.

Aber was hat das alles mit Kreditplattformen zu tun? Marketplace-Lending ist ebenfalls ein Teil des Private Debt Markts. Denn auch Plattformen bieten dem Mittelstand Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb des Kapitalmarkts und positionieren sich als Ergänzung zum stark verbreiteten Hausbank-Prinzip. Doch im Vergleich zu den etablierten Finanzierungspartnern können insbesondere digitale Plattformen durch den Einsatz von Technologie wesentlich schneller und flexibler agieren. Weitere Vorteile sind die geringeren Stückkosten einer stark datengetriebenen Kreditanalyse sowie ein höherer Automatisierungsgrad bei der Darlehensvergabe und -verwaltung. Diese Eigenschaften versetzen die Plattformen in die Lage, auch geringer kapitalisierte Unternehmen bedienen zu können. Dieses Kundensegment ist weder für Banken noch für Private Debt Fonds von großem Interesse, da für sie bei gleichem Aufwand und einem hohen Fixkostenblock eine substantiell geringere Marge abfällt.

Anfangs stützten sich viele Kreditplattformen bei der Refinanzierung noch auf Retail-Anleger auf dem Wege des sogenannten crowdfundings. Mittlerweile sind die meisten Plattformen allerdings dazu übergegangen, ihre stark wachsenden Kapazitäten in der Kreditvergabe durch institutionelle Gelder sicherzustellen. Denn immer mehr professionelle Anleger kommen zur Erkenntnis, dass es sich beim Marketplace-Lending um eine sinnvolle Ergänzung zur bestehenden Private Debt Allokation handelt. Speziell im Segment der Versicherer und Pensionskassen sieht man darin eine interessante Möglichkeit, die Ertragskraft im Portfolio zu steigern. Aber was genau sind eigentlich die unterschiedlichen Merkmale eines Kreditportfolios einer Plattform im Vergleich zu einem Private Debt Fonds?

  1. Selektion: Plattformen setzen stärker auf digitale Prozesse, bspw. bei der Übermittlung und Verarbeitung der Unternehmensdaten. Die kosteneffiziente Prüfung einer hohen Anzahl an Kreditanfragen ermöglicht eine sehr selektive Vorgehensweise bei der Kreditentscheidung. Bei creditshelf erhalten aktuell weniger als 10% aller Anfragen eine positive Kreditzusage.
  2. Losgröße: Während sich Private Debt Fonds erst Kreditanfragen ab 10 Mio. EUR genauer anschauen, können Plattformen auch deutlich kleinteiligere Darlehen arrangieren. Mit demselben Investitionsvolumen lässt sich somit eine viel höhere Diversifikation über diverse Kreditnehmer, Branchen, Regionen und Finanzierungsanlässe umsetzen.
  3. Deal-Sourcing: Ein hoher Anteil der Darlehen in Private Debt Fonds steht im Zusammenhang mit Firmenübernahmen, womit sich eine hohe Abhängigkeit zum Transaktionsvolumen der Private Equity Branche ergibt. Plattformen vertrauen stattdessen mehr auf den eigenen Dealflow und können diesen proaktiv steuern. Bei creditshelf werden neben dem Direktvertrieb auch weitere Distributionskanäle über Vertriebspartner verfolgt.
  4. Kreditausgestaltung: Der Fokus bei Private Debt Fonds liegt meist auf besicherten, langlaufenden Darlehen mit endfälliger Rückzahlung. Die Kreditvergabe über Plattformen erfolgt durch unbesicherte Darlehen, was oft kürzere Laufzeiten und Tilgungskomponenten zur Folge hat. Das Resultat ist eine kürzere Duration im Portfolio sowie ein reduziertes Verlustrisiko bei etwaigen Zahlungsstörungen.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass Kreditplattformen eine bedeutende ökonomische Rolle einnehmen, indem sie der akuten Unterversorgung von dringend benötigtem Wachstumskapital im deutschen Mittelstand entgegentreten. Zum anderen bieten die Plattformen aber auch institutionellen Anlegern den Zugang zu einem bisher kaum investierbaren Marktsegment. Wir sind zuversichtlich, dass die steigenden Kapitalzuflüsse der letzten Jahre für die Kreditplattformen weiter anhalten werden und das Marketplace Lending eine zunehmende Bedeutung im Anlageuniversum institutioneller Investoren einnehmen wird.

Den vollständigen Fachartikel als PDF finden Sie hier.

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