Die Digitalisierung fordert die Regulatorik immer wieder aufs Neue heraus. Was für Banken und große Finanzdienstleister passen mag, gilt nicht zwingend für Fintechs. Deutlich zeigt sich das bei der Berechnung der jährlichen BaFin-Umlage. Gegenüber Banken und großen Finanzdienstleistern werden Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen schlechter gestellt. Weil die Aufsicht nicht handelt, muss jetzt die Bundesregierung aktiv werden.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist eine seit 2002 bestehende, selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts, welcher die Aufsicht über Banken, Versicherer, Wertpapierhändler und sonstige Finanzdienstleister in Deutschland obliegt. Da die BaFin vom Bundeshaushalt unabhängig ist, muss sich diese gänzlich durch eigene Einnahmen, etwa über für Verwaltungshandlungen erhobene Gebühren, finanzieren. Neben der Erhebung von Gebühren werden aber auch die von der BaFin beaufsichtigten Unternehmen zur Kostentragung herangezogen. Von diesen sog. Umlagepflichtigen werden Umlagen erhoben, die letztendlich den Großteil der Finanzierung der BaFin abbilden. Die Rechtsgrundlage für die Erhebung solcher Umlagen ist das Finanzdienstleistungsaufsichts-gesetz (FinDAG).
Das FinDAG enthält in seinen §§ 16 ff. konkrete Vorschriften über die zu erhebenden Umlagen, insb. die Bestimmung der umlagefähigen Kosten, die Vorauszahlung von Umlagen, die Eintreibung dieser Umlagen sowie die konkreten Bemessungsgrundlagen für die verschiedenen, der Aufsicht der BaFin unterliegenden fünf Aufgabenbereiche (Banken und sonstige Finanzdienstleistungen, Versicherungen, Wertpapierhandel, Abwicklung und Bilanzkontrolle). Der Aufgabenbereich Banken und sonstige Finanzdienstleistungen sowie der Aufgabenbereich Wertpapierhandel sind wiederum in Gruppen unterteilt. Dabei kann ein Umlagepflichtiger mehreren Aufgabenbereichen, aber auch mehreren Gruppen zugeordnet sein.
Bemessungsgrundlagen in §§ 16 ff. FinDAG berücksichtigen im Grundsatz verschiedene Geschäftsmodelle
Eine Unterteilung der Aufgabenbereiche in Gruppen erlaubt es, die Unterschiede der Finanzdienstleister im weiteren Sinne zu berücksichtigen und insbesondere die Bemessungsgrundlage für die daraus zu ermittelnden Umlagen differenzierter festzulegen. Anders als in den Aufgabenbereichen Versicherungen, Abwicklung und Bilanzkontrolle können so im Aufgabenbereich Banken und sonstige Finanzdienstleistungen sowie im Aufgabenbereich Wertpapierhandel diverse Dienstleistungs- und Geschäftsmodelle unterschiedlich berücksichtigt werden. Im Folgenden werden die Bemessungsgrundlagen für die Aufgabenbereiche Banken und sonstige Finanzdienstleistungen sowie Wertpapierhandel, insbesondere die systematisch nicht überzeugenden Unterschiede, näher beleuchtet.
Die Bemessungsgrundlagen für die verschiedenen Gruppen des Aufgabenbereichs Banken und sonstige Finanzdienstleistungen sowie des Aufgabenbereichs Wertpapierhandel sind grundsätzlich die Umsätze bzw. Erträge oder die Bilanzsumme des Umlagepflichtigen. In § 16f Abs. 1 bzw. §16j Abs. 1 FinDAG werden, die Besonderheiten der jeweiligen Geschäftsmodelle und Dienstleistungen der umlagepflichten Unternehmen berücksichtigend, die Bemessungsgrundlagen für die zu zahlende Umlage normiert. Etwa wird im Aufgabenbereich Banken und sonstige Finanzdienstleistungen die Bemessungsgrundlage für Factoring- oder Finanzierungsleasingunternehmen in §16f Abs. 1 Nr. 1 FinDAG (Verhältnis der Bilanzsumme des einzelnen Umlagepflichtigen zum Gesamtbetrag der Bilanzsummen aller Umlagepflichtigen der Gruppe) anders bestimmt als für Kapitalverwaltungsgesellschaften in § 16f Abs. 1 Nr. 2 FinDAG (Verhältnis der Summe der Werte aller von einem Umlagepflichtigen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage verwalteten oder angelegten Mittel zum Gesamtbetrag des Wertes, den die zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage verwalteten oder angelegten Mittel aller Umlage-pflichtigen haben).
Im Aufgabenbereich Wertpapierhandel andererseits, wird für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage etwa unterschieden, ob der Umlageverpflichtete befugt ist, sich Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen (z.B. § 16j Abs. 1 Nr. 2 und 3 FinDAG) oder nicht (§ 16j Abs. 1 Nr. 4 FinDAG).
In § 16f Abs. 2 bzw. § 16j Abs. 2 FinDAG werden von den grundsätzlichen ertrags- oder bilanzbezogenen Bemessungsregeln auf Antrag des Umlagepflichtigen Ausnahmen ermöglicht. Diese Abweichungen des Grundsatzes haben zum Zweck, bestimmte Beträge, nämlich solche, die nicht unerheblich sind und nicht im direkten Zusammenhang mit der beaufsichtigten Tätigkeit des Umlagepflichtigen stehen, von dem Bemessungsbetrag abziehen zu können. Demnach sollen die nicht aufsichtsrelevanten Banken- oder sonstige Finanzdienstleistungen bzw. die nicht durch wertpapierhandelsbezogene Produkte oder Dienstleistungen erwirtschafteten Beträge aus der Bilanz bzw. von den umlagepflichten Provisionserträgen herausgerechnet werden. Für den Aufgabenbereich Banken und sonstige Finanzdienstleistungen ist dies beispielsweise klar in § 16f Abs. 2 Nr. 1 FinDAG geregelt.
Existierende Regelungen benachteiligen innovative Geschäftsmodelle der Fintechs
Im Aufgabenbereich Wertpapierhandel fehlt eine solche klare Regelung leider. Dort ist die Bemessungsgrundlage (inklusive der Gestaltung der möglichen Abzugsposten) derart ausgestaltet, dass Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen schlechter gestellt werden als „klassische“ Wertpapierdienstleistungsunternehmen und somit letztendlich unverhältnismäßig höhere Umlagen zahlen müssen. Schon bei der Berechnung des Bemessungsbetrages bestehen erhebliche Nachteile für moderne Geschäftsmodelle. Für die Bemessungsgrundlage im Aufgabenbereich Wertpapierhandel werden Provisions-ergebnisse aus gewissen Positionen, etwa der Position 313 der Anlage SON04 des jeweils relevanten Jahresabschlussberichts zugrunde gelegt. Davon abzuziehen sind die Provisionsaufwendungen, wie in Position 314 der Anlage SON04 festgehalten. Allerdings ist die Position 313 nicht so ausgestaltet, dass Provisionserträge in „wertpapierhandels-relevante“ und „nicht wertpapierhandelsrelevante“ aufgeteilt werden könnten.
Für ein Unternehmen, welches nur einen geringfügen Anteil an „aufsichtsrelevanten“ Dienstleistungen erbringt, hat das zur Folge, dass die gesamten Provisionsergebnisse als Bemessungsgrundlage heranzuziehen sind. Die BaFin vertritt hierzu die nur schwer nachvollziehbare Ansicht, dass die Liste der möglichen Abzugsposten im § 16j FinDAG ausweislich des klaren Wortlauts „abschließend“ sei. Deshalb könnten wertpapierdienst-leistungsfremde Provisionserträge, die nicht unter die aufgeführten Abzugsposten fielen, gleichfalls nicht pauschal über die Nr. 11 („sonstige Bearbeitungsentgelte“) oder über die Nr. 11 in analoger Anwendung abgezogen werden.
Im Ergebnis diskriminiert die bestehende Regelungstechnik innovative Geschäftsmodelle insbesondere von Fintechs. Da die Finanzwirtschaft vom Fortschritt lebt und Fintechs die wesentlichen Treiber dieses Fortschritts sind, sollte die Aufsichtspraxis diesen Entwicklungsprozess klug mitgestalten und sich nicht in starre Strukturen verschränken. Wenn Regelungen offensichtlich zur Diskriminierung von innovativen Geschäftsmodellen führen, sollte eine Aufsicht bereit sein, nach konstruktiven Lösungen zu suchen. In diesem Fall bietet sich die analoge Anwendung des Nr. 11 schon deswegen an, weil es dem Gesetzgeber offensichtlich sehr wohl darauf ankam, „aufsichtsfremde“ Dienstleistungen und Erträge von der Umlage ausnehmen zu können.
Fazit
Selbst wenn Geschäfte, welche nicht als Wertpapierdienstleistungen i. S. d. WpHG/WpIG betrieben werden, den Großteil der Provisionserträge eines Umlagepflichtigen darstellen, können diese Beträge – obwohl nicht aufsichtsrelevant – im Aufgabenbereich Wertpapierhandel nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Im Aufgabenbereich Banken und sonstige Finanzdienstleistungen hingegen besteht ein vom Gesetzgeber vorgesehener flexibler Mechanismus, bei dem, je nach Geschäftsmodell, die für den Aufgabenbereich nicht relevante Tätigkeiten aus der Umlageberechnung herausgerechnet werden können. Damit besteht im Aufgabenbereich Wertpapierhandel eine grundlose Ungleichbehandlung im Gegensatz zu den Unternehmen, welche im Aufgabenbereich Banken und sonstige Finanzdienstleistungen umlagepflichtig sind.
Möchte sich Deutschland als Fintech-Standort empfehlen, muss dafür gesorgt werden, dass Unternehmen mit innovativen, neuartigen Geschäftsmodellen nicht schlechter gestellt werden als traditionelle und/oder alteingesessene Finanzdienstleistungsunternehmen. Auch die Gleichbehandlung verschiedener Arten von Fintechs und die Bestrebung, finanzielle Nachteile solcher neuartigen Geschäftsmodelle zu vermeiden, sollte im Auge behalten werden. Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Fintech-Landschaft in Deutschland könnte nicht nur durch die explizite und gezielte finanzielle Förderung erreicht werden, sondern auch durch die Anpassung und die Optimierung bereits bestehender Gesetze und Regelungen. Wenn die Aufsicht nicht behilflich sein kann, im bestehenden Gesetzesrahmen zu agieren, ist jetzt die Bundesregierung gefordert.
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