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QB 04/2022 – “Der Markt bewegt sich auf Rekordniveau”

Der Schuldscheinmarkt rockt und zieht wieder verstärkt die Investorinnen an. Tim Junghans, Geschäftsführer von finpair, spricht mit uns über die aktuelle Marktentwicklung, die Digitalisierung des Schuldscheins und die Konsolidierung unter den Plattformen.

Der Schuldscheinmarkt rockt und zieht wieder verstärkt die Investoren an. Tim Junghans, Geschäftsführer von finpair, spricht mit uns über die aktuelle Marktentwicklung, die Digitalisierung des Schuldscheins und die Konsolidierung unter den Plattformen.

VdK: Lieber Tim, was macht den Schuldschein für Investoren bzw. Emittenten und insbesondere den Mittelstand so interessant?

Tim Junghans: Aus dem Blickwinkel der Investoren ist der Schuldschein trotz des Darlehenscharakters insbesondere aufgrund der Fungibilität mittels Übertragung oder Abtretung interessant. Für Institutionelle Investoren stellt das Corporate-Schuldscheindarlehen aufgrund der Nähe zum Wertpapier eine zusätzliche Anlageklasse dar, die insbesondere in den letzten Jahren bessere Renditen als klassische Bonds zuließen. Aber auch für Banken, die auch als Investoren auftreten, stellt der Schuldschein durch die weitgehend standardisierte Ausgestaltung sowie den effizienten Zugang ein sehr gutes Instrument dar, um das Firmenkundengeschäft zu ergänzen oder ein Opportunitätsportfolio aufzubauen.

Für Emittenten ist der Schuldschein ein wirkungsvolles und kostengünstiges Instrument zur kapitalmarktnahen Finanzierung. Der Schuldschein eignet sich insbesondere zur Ergänzung der Finanzierungsstrategie. Investoren des Schuldscheins werden in der Regel nur standardisiert informiert und stehen so neben dem i.d.R. eng betreuten Kernbankenkreis. Außerdem stellt sich die Platzierung eines Schuldscheins auch bei größeren Finanzierungsvolumina schneller und unkomplizierter dar als ein Konsortialprozess. Gerade für Mittelständler, die i.d.R. keinen Zugang zum Kapitalmarkt haben und diesen aufgrund der Kosten scheuen, stellt der Schuldscheinmarkt eine gute Alternative dar. Durch die Digitalisierung des SSD sind zusätzlich auch kleinere Finanzierungsvolumina möglich.

VdK: Nach Jahren des Wachstums brach der Schuldscheinmarkt 2020 um mehr als ein Drittel ein und erholte sich in 2021 nur mäßig. Was kannst Du über die Entwicklung in diesem Jahr sagen?

Tim Junghans: Der Schuldscheinmarkt kam zu Beginn der Coronakrise temporär nahezu zum Erliegen. Trotz sukzessiver Erholung bedingten die Unsicherheiten in einigen Branchen erstmals seit Jahren ein rückläufiges Marktvolumen. Im Zuge der Coronakrise hatten sich viele Emittenten mit Liquidität ausgestattet, sodass die Nachfrage zum Jahresbeginn 2021 recht verhalten ausfiel. Zusätzlich wirkten die Instrumente der EZB störend auf den Schuldscheinmarkt. Zum einen zogen die niedrigen Renditen im Anleihemarkt im Zuge der massiven Anleihekaufprogramme die Emittenten in Anleihemarkt und zum anderen bedingten die günstigen TLTRO-Mittel eine Überversorgung durch die Banken.

Schon zum Ende des letzten Jahres zog der Schuldscheinmarkt wieder deutlich an. Diese Entwicklung hat sich in diesem Jahr deutlich fortgesetzt. Mit 108 Transaktionen sowie einem Volumen von rd. 21 Mrd. € bewegt sich der Markt per Ende September auf Rekordniveau. Bemerkenswert ist der Anteil der Emittenten, die aus dem Bondmarkt zurückkehren sowie der hohe Anteil ausländischer Emittenten.

VdK: Mit welchen Auswirkungen auf den Schuldscheinmarkt ist durch die Zinswende der EZB und das Zurückfahren ihres Anleihekaufprogramms zu rechnen?

Tim Junghans: Steigende Renditen werden von den Investoren begrüßt. Der Schuldscheinmarkt gewinnt aktuell analog zu anderen Märkten durch das steigende Zins- und Spreadniveau an Attraktivität.

Die Flutung des Bankenmarktes durch die vergünstigten TLTRO-Mittel sowie das massive Anleiheankaufprogramm der EZB hat die Emittenten zum Teil aus dem Schuldscheinmarkt gezogen. Ich rechne damit, dass der Schuldscheinmarkt mit dem Auslaufen der EZB-Programme seine Wachstumsentwicklung auch nachhaltig wieder aufnehmen wird.

VdK: Welche Investoren interessieren sich aktuell für Schuldscheine?

Tim Junghans: Traditionell wird der Schuldscheinmarkt neben Landesbanken und Geschäftsbanken stark von Sparkassen und Genossenschaftsbanken gesucht. Daneben sind aber auch Förderbanken und zunehmend Institutionelle Investoren am Markt aktiv. In den letzten Jahren ist der Schuldscheinmarkt auch in den Blick ausländischer Geschäftsbanken gefallen.

VdK: Wie hoch ist der Anteil ausländischer Investoren?

Tim Junghans: Die Transparenz über den Gesamtmarkt hierzu besteht nicht, jedoch registrieren sich ausländische Investoren zunehmend auf den Schuldscheinplattformen und treten deutlich stärker am Markt auf. Bei finpair machen ausländische Investoren bereits rd. ein Fünftel der Investorenbasis aus.

VdK: Mit finpair wolltet Ihr eine Plattform bauen, um das Schuldscheindarlehen über die gesamte Prozesskette zu digitalisieren. Wie weit seid Ihr mit dem Projekt?

Tim Junghans: Die finpair-Plattform stellt eine workflowbasierte digitale Lösung für die Emission von Schuldscheindarlehen und Namensschuldverschreibungen dar. Wir haben nicht nur den gesamten Produktprozess digitalisiert, sondern zur Optimierung des Nutzens für Emittenten und Investoren digitale Mehrwertlösungen integriert. Mittlerweile bieten wir über die Plattform neben der breiten Platzierung auch das Private Placement-Geschäft digital unterstützt an.

VdK: Immer mehr Plattformen denken ihr Geschäftsmodell im Zusammenhang mit der Distributed Ledger Technologie. Welche Rolle spielt die Blockchain bei finpair?

Tim Junghans: Bislang sehen wir bei der Emission von Corporate-Schuldscheinen keinen sinnvollen Einsatzbereich und Mehrwerte für unsere Kunden für die Blockchain-Technologie. DLT ist für die Problemstellungen einer Schuldscheinplattform unseres Erachtens keine geeignete Technologie, da das zentrale Ziel der DLT, der Wegfall des Intermediärs, kein Bedürfnis der Akteure am Schuldscheinmarkt ist. Ziele wie Transparenz und Fälschungssicherheit lassen sich auch ohne Blockchain mit kryptografischen Methoden effizienter und kundenfreundlicher umsetzen.

VdK: Die Konsolidierung unter den Equity- und Fremdfinanzierungsplattformen schreitet voran. Speziell im Schuldscheinsegment waren es 2019 ganze 7 Fintechs, in diesem Jahr sind es nur noch 3. Es gibt Stimmen im Markt, die sagen, dass nur Platz für eine sei. Wie ordnest Du diese Entwicklung ein?

Tim Junghans: Die Konsolidierung der Plattformen ist aus unserer Sicht weitgehend erfolgt. Der Ansatz der verbliebenen Plattformen unterscheidet sich jedoch grundsätzlich – jeder Ansatz hat seine Legitimation. Die finpair bildet als einzige Plattform den Gesamtprozess von der Strukturierung bis zur Rückzahlung ab. Die Kombination von Strukturierungsexpertise und digital unterstütztem Prozess ist ein wesentlicher Differenzierungsaspekt der finpair, der auch dazu führt, dass die finpair von dem Nachrichtendienstleister Bloomberg als Intermediär akzeptiert und im League Table geführt wird.

Die vollständige Digitalisierung ermöglicht nicht nur, Mehrwertleistungen für Emittenten und Investoren anzubieten, sondern führt auch zu Effizienzgewinnen über den kompletten Abwicklungszeitraum. Zusammen mit der vollständigen Produktabbildung stellt die finpair eine optimale Lösung insgesamt für Banken und Berater ohne eigene Schuldscheinexpertise oder geringe Transaktionsanzahlen dar.

VdK: Lieber Tim, wir danken Dir für das Gespräch. 

Dieses Interview ist am 31. Oktober 2022 im Quarterly Briefing 04/2022 erschienen. Das vollständige Interview als PDF finden Sie hier.