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QB 1/2023 – Die Plattform der Plattformen – Schritt zur mehr Effizienz, Transparenz und Kundenzufriedenheit

Mit der wachsenden Zahl von Digital Lendern nimmt auch die Produktvielfalt im Markt zu. Damit verbunden sind ineffiziente Verfahren und eine unübersichtliche Produktlandschaft. Hierdurch läuft das junge Ökosystem Gefahr, das Interesse der Kunden schon wieder an die Banken zu verlieren. Der innovative Schwung des Digital Lending sollte deshalb dazu genutzt werden, sich auf ein gemeinsames Vermittler-Frontend zu einigen, schreibt Matthias Rother, CEO der HYPOFACT AG und FACTS42 GmbH.

In Deutschland ist das Angebot der Digital Lender inzwischen vielfältig und deckt insgesamt einen großen Teil der traditionell durch die Hausbank abgebildeten Finanzierungslösungen ab. Das gilt gleichermaßen für Kredite an Verbraucher wie an Unternehmen. Auf Ebene der einzelnen Anbieter ist das Leistungsspektrum jedoch in der Regel sehr individuell gestaltet. Das erschwert den Kunden die Vorauswahl. Sie können sich nicht sicher sein, den für ihre Finanzierungsbedürfnisse am besten passenden Anbieter zu finden. Auch fehlt es ihnen aktuell an einer Übersicht, welche Produkte das Segment zur Gänze bietet.

Als klassischer Vermittler und Berater für Finanzierungen im privaten und gewerblichen Bereich erleben wir täglich, wie aufwändig es ist, aus der Vielzahl der verschiedenen Angebote die passende Lösung für den konkreten Bedarf unserer Kunden zu ermitteln. Regelmäßig müssen wir uns zunächst mit diversen Anbietern jeweils individuell in Verbindung setzen, um zu Ergebnissen zu gelangen. Das ist ineffizient und macht auch einfach keinen Spaß, weil die immer gleichen Anfragen bei immer wieder neuen Anbietern erfasst, betreut und verwaltet werden müssen. Das gleiche Problem nur auf der anderen Seite haben übrigens die Investoren auf der Suche nach den ihrem Risikoappetit bestmöglich entsprechenden Investitionsmöglichkeiten.

Ineffizienz und niedrige Conversion Rate beeinträchtigen den Erfolg von Digital Lending

Matthias Rother

Und die Darlehensnehmer und Investoren stehen mit ihren Problemen nicht allein dar. Denn mit der Suche nach dem passenden Angebot ist in der Regel eine verbesserungsfähige Conversion Rate auf Seite der Originatoren verbunden, die sie regelmäßig durch teure Marketing-Aufwendungen anzuheben versuchen. Oft genug erreichen sie die gesteckten Ziele nicht. Auflösen ließe sich diese alle Seiten gleichermaßen behindernde Ineffizienz durch den Mut zu innovativen Lösungen.

Die Herausforderung ist nicht neu. So haben sich etwa im privaten Baufinanzierungsmarkt ab dem Jahr 2000 zwei Handelsplattformen als B2B-Systeme herausgebildet – Europace und eHyp -, die erhebliche Teile des traditionellen Finanzierungsmarktes unter aktiver Mitwirkung der Kreditinstitute abbilden und transparent machen. Zuletzt stieg Anfang 2022 mit dem IKB-Finanzierungsmarktplatz ein prominentes Banken-Spin-off in die Unternehmensfinanzierung ein. Als echte Transaktionssysteme sind sie aber alle Teile der Wertschöpfungskette, haben eigene Rechte an den Kundendaten und wollen den Markt dominieren. Langfristig gesehen ist das weder im Interesse der angeschlossenen Banken noch der Vermittler oder Finanzierungsuchenden. Es ist auch fraglich, ob das Streben nach Marktdominanz im volkswirtschaftlichen Interesse liegt, denn oftmals geht damit einher, dass sich innovative Lösungen nicht entwickeln können.

Mit Blick auf die erwünschte Skalierung ihrer vergleichsweise noch sehr jungen Geschäftsmodelle kommt nun speziell für die Digital Lender die besondere Herausforderung hinzu, dass sie gleichermaßen den Zugang zu Kreditkunden und Investoren im Blick haben müssen. Ohne das Geld der Anleger gibt es keine Kredite. Gelingt es ihnen mittelfristig nicht, effizientere Lösungen anzubieten, laufen sie Gefahr, dass Vermittler und Kunden das Interesse verlieren und sich am Ende doch wieder den breiter aufgestellten traditionellen Banken zuwenden. Aufgrund des aktuell veränderten Zinsumfeldes ist dieses Szenario noch realistischer geworden.

Schnittstellenbasiertes Vermittler-Frontend als „Plattform der Plattformen“

Die Lösung der Probleme liegt in der Schaffung eines schnittstellenbasierten Vermittler-Frontends – einer „Plattform der Plattformen“. Der Umsetzung haben wir uns bei der HYPOFACT AG im Privatkundensegment erfolgreich gewidmet und mit der FACTS42 GmbH mittlerweile auch eine separate Gesellschaft gegründet.

Unser Lösungsansatz basiert auf einer weltweit etablierten Unternehmenssoftware. An deren umfangreiches CRM docken wir mit diversen APIs zu den unterschiedlichsten Handelsplätzen und Plattformen an. Das CRM wird anbieterseitig rasant weiterentwickelt und bindet so bei uns keinerlei Ressourcen. Somit können wir uns technisch auf die erforderlichen Schnittstellen und Kommunikationskanäle konzentrieren. Mehrwerte liegen dabei in kundenspezifischen Workflows, Wissensarbeit sowie umfassender Kommunikation über Produkte mit Kampagnen für Vermittler und Kunden.

Im Zentrum unserer Überlegungen stand der Datenhaushalt. Mit FACTS42 werden sämtliche Kundendaten – zumindest auch – beim Vertrieb abgelegt. Ein aktuelles Beispiel eines großen Marktteilnehmers zeigt, was „Verschlüsselungs-Trojaner“ in Kundendatenbanken anrichten können. Zumindest eine Kopie haben FACTS42-Kunden immer auf ihrem eigenen Server oder in der Cloud.

Gemeinsame Standards als Branchenziel zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit und Conversion Rate

Wie wäre es vor diesem Hintergrund, wenn die Digital Lender sich auf einen gemeinsamen Standard als Außensystem einigen würden, der sowohl Vermittlern als auch Kreditkunden einen einheitlichen Zugang zu den vielfältigen Produkten der Anbieter ermöglichte? Auch Investoren böte dieser Ansatz ein auf die jeweiligen Anforderungen anpassbares Interface. Auf einen zentralen Rechenkern würde dabei bewusst verzichtet, denn diese gibt es ja bereits bei den Fintechs. Die Hinterlegung sämtlicher Rechenkerne in einem solchen System (analog Europace im privaten Finanzierungssegment) ist im Gewerbefinanzierungsmarkt mit seinen weitaus differenzierteren Produktgestaltungen weder sinnvoll noch realistisch umsetzbar. Vor allen Dingen stellen die Scoringmodelle der einzelnen Plattformfinanzierer einen Kernbereich der jeweiligen Geschäftsmodelle dar. FACTS42 konzentriert sich deshalb auf die bestehende „Lücke“ der einheitlichen Datenflüsse und Kommunikationskanäle.

Dass ein solcher Standard sinnvoll ist und voraussichtlich kommen wird, hat die Europäische Kommission Mitte 2022 in ihrem Abschlussbericht zur Untersuchung eines möglichen „Referral Scheme“ angedeutet. Danach liegt eine Verzahnung von traditionellen und alternativen Finanzierungsanbietern über eine einheitliche Schnittstelle im Interesse der eine passende Finanzierung suchenden Unternehmen sowie der EU-Kapitalmarktunion. Würde in den kommenden Jahren tatsächlich eine Pflicht für Hausbanken zur Weiterleitung abgelehnter Kundenanfragen in den Markt der Alternativfinanzierer geschaffen werden, sollten die Digital Lender mit einem einheitlichen Zugang schon bereitstehen. Mit der Wiedergabe des Vorschlags des Verbandes zur Gestaltung eines einheitlichen Datenblattes im Abschlussbericht hat die Kommission auch bereits viel Sympathie für die Ideen des VdK erkennen lassen.

Kurzum: Es bietet sich hier eine einmalig große Chance, die das Ökosystem durch die Formulierung eines einheitlichen Branchenstandards ergreifen sollte!

Den Artikel als PDF zum Download finden Sie hier.