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Q&A – “Kreditplattformen sind kaum noch wegzudenken”

Esra Limbacher, Abgeordneter des Deutschen Bundestages und neuer Mittelstandsbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion, spricht mit uns im exklusiven Interview über seine Agenda, digitale Herausforderungen für den Mittelstand und die Rolle von Kreditplattformen.

VdK: Sehr geehrter Herr Limbacher, herzlichen Glückwunsch zur Wahl zum neuen Mittelstandsbeauftragten Ihrer Fraktion. Was sind Ihre Pläne, und welche Impulse wollen Sie in dieser Legislaturperiode setzen?

Esra Limbacher: Die wirtschaftspolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre sind immens – egal, ob beim Klimaschutz, der Digitalisierung oder der sich verschärfenden Lieferkettenprobleme. Für mich steht fest: Die Transformation gelingt nicht gegen, sondern nur mit und ein Stück weit auch durch den Mittelstand. Unser Ziel ist es, dass Made in Germany auch 2050 noch für Spitzentechnologie und höchste Qualität stehen wird. Unbedingter Handlungsbedarf besteht zudem mit Blick auf explodierende Energiekosten, Rohstoffknappheit und den Fachkräftemangel. Schon heute ist klar, dass etwa der Fachkräftemangel die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere unserer mittelständischen Unternehmen und das Wachstum der deutschen Wirtschaft bremsen wird. Daher werde ich Maßnahmen in das Zentrum meiner Arbeit als Mittelstandsbeauftragter rücken, die gegen diesen Fachkräftemangel ein wirksames Mittel sein können.

VdK: Die Auswirkungen des Corona-Virus beschäftigen uns seit nunmehr zwei Jahren. Wie ist aus Ihrer Sicht der deutsche Mittelstand bislang durch die Krise gekommen?

Esra Limbacher: Es hat sich einmal mehr gezeigt, was es bedeutet, wenn wir sagen: Der Mittelstand ist Rückgrat unserer Wirtschaft und Garant für Wachstum, Innovation und Beschäftigung. Denn auch während der Pandemie hat er sich trotz Corona in vielen Branchen als krisenfester Jobmotor erwiesen und leistet durch Aus- und Weiterbildung einen wichtigen Beitrag, damit der Wirtschaftsstandort Deutschland auch in Zukunft erfolgreich sein wird. Wir müssen aber auch feststellen, dass neben der Pandemie auch weitere Krisen die Zukunft von mittelständischen Betrieben bedrohen: massiv steigende Energiepreise, Inflation, die Auswirkungen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands in der Ukraine und vieles mehr. Diese „multiplen“ Krisen sind es, die in ihrer Vielzahl und in ihrem gleichzeitigen Auftreten derzeit eine enorme Belastung für den Mittelstand darstellen. Hier ist die Politik gefragt, mit klugen Instrumenten und auch Zuschüssen negativen Entwicklungen entgegenzuwirken.

VdK: Es gibt kritische Stimmen, die sagen, dass die Zahl der Insolvenzen noch kräftig ansteigen werde, wenn erst einmal die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen ausgelaufen seien. Vereinzelt wird vor „Zombie-Unternehmen“ mit hohem Ansteckungsrisiko für die Gesamtwirtschaft gewarnt. Teilen Sie diese Befürchtungen?

Esra Limbacher: Nein. Es mag sein, dass sich geringfügig kleinere Unternehmen nur durch die Hilfen über Wasser gehalten haben. Wir gehen jedoch davon aus, dass dies in Deutschland eine geringe Zahl ist. Die pessimistischen Befürchtungen, was ein Ansteckungsrisiko auf die Gesamtwirtschaft angeht, kann ich nicht teilen.

VdK: Durch die Corona-Pandemie wird der Mittelstand beim Thema Digitalisierung stark herausgefordert. Die Unternehmen haben darauf sehr unterschiedlich reagiert. Wo steht der Mittelstand heute, und wo sehen Sie Nachholbedarf?

Esra Limbacher: Die Herausforderung in diesem Feld in den nächsten Jahren wird es sein, dass die Mitarbeiterschaft bei der ganz unterschiedlich ausgeformten Digitalisierung in den Betrieben mitgenommen werden muss. Die Stichwörter Aus- und Weiterbildung werden hier an Bedeutung gewinnen. Wenn Unternehmen von der Digitalisierung profitieren wollen, brauchen sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die digitales Know-how mitbringen. Besonders wenn es um IT-Sicherheit, Software-Entwicklung und Cloud-Architektur geht. Was hingegen mehrheitlich und im Großen und Ganzen gut funktioniert hat während der Corona-Pandemie, ist das Arbeiten aus dem Homeoffice. Hier hat Corona wie ein Brandbeschleuniger gewirkt und jahrzehntelange Glaubenssätze über Bord geworfen und gleichzeitig gezeigt wie anpassungsfähig und flexibel viele Unternehmen auch reagieren können, wenn es darauf ankommt.

VdK: Die digitale Transformation bindet insbesondere bei kleineren Unternehmen überproportional viele Ressourcen, die dann woanders fehlen. Wer sich bislang noch gar nicht oder nur wenig mit dem Thema befasst hat, steht vor großen organisatorischen und finanziellen Herausforderungen. Wie kann die Digitalisierung des deutschen Mittelstands dennoch gelingen, um international nicht den Anschluss zu verlieren? Welchen Beitrag kann die Politik hier leisten?

Esra Limbacher: Wir müssen dringend dafür Sorge tragen, dass die Infrastruktur geschaffen wird, die Unternehmen benötigen, um erfolgreich die Digitalisierung voranzutreiben. Das heißt eine flächendeckende Versorgung mit Glasfasernetzen und die Implementierung neuster Mobilfunkstandards. Darüber hinaus müssen digitale Schlüsseltechnologien gefördert und die Bedingungen für Start-ups verbessert werden. Außerdem haben wir bereits das Wirtschaftsplangesetz ERP (European Recovery Program) 2022 auf den Weg gebracht. Dieses Sondervermögen des Bundes geht ursprünglich auf den Marshallplan der Nachkriegszeit zurück. Ein wichtiger Schwerpunkt des Gesetzes ist die Finanzierung von Projekten im Bereich Innovation und Digitalisierung. Allein hier beträgt die Fördersumme 1,5 Mrd. Ziel ist es, die Digitalisierung gerade auch im Mittelstand weiter voranzutreiben. 2022 werden für mittelständische Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft und Angehörige freier Berufe zinsgünstige Darlehen und Beteiligungskapital mit einem Volumen von insgesamt etwa 9,8 Milliarden Euro bereitgestellt.

VdK: Welche Lehren gilt es für den Mittelstand aus der Krise für die eigene Finanzierungsstrategie zu ziehen?

Esra Limbacher: Für viele krisengeschüttelte Firmen ist der klassische Bankenkredit immer öfter keine Option mehr. Sie sind schlicht und ergreifend nicht mehr erschwinglich und die Rücklagen vieler Betriebe sind in den letzten beiden Jahren dahingeschmolzen. Die langsame Erholung der Wirtschaft oder eine vielleicht sogar bevorstehende Stagnation schmälern die Liquidität, was sich in schlechteren Kreditauflagen ausdrückt. Die seit Juni 2021 geltenden verschärften Liquiditätsanforderungen für Banken in der Europäischen Union erschweren zusätzlich den Zugang zu frischem Geld. Für die Zukunft gilt: Je vielfältiger die Finanzierung der Unternehmen aufgestellt ist desto besser.

VdK: Wo die Hausbanken heute nicht mehr finanzieren können oder wollen, bieten Kreditplattformen durch das Geld privater und institutioneller Investoren marktgerechte Lösungen. Mit Basel IV wird sich dieser Trend insbesondere im ungerateten Bereich verstärken. Wo sehen Sie vor diesem Hintergrund die zukünftige Rolle von Hausbanken und Kreditplattformen?

Esra Limbacher: Es wird in den nächsten Jahren auch darum gehen, verstärkt private Investitionen zu mobilisieren. Die geplante Superabschreibung in Form einer Investitionsprämie für Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter für die Jahre 2022/2023 ist deshalb ein wichtiger Schritt. Diese muss breit gefasst und unbürokratisch ausgestaltet werden. Kreditplattformen und Hausbanken spielen dabei eine wichtige Rolle: Durch innovative und leicht zugängliche Angebote können sie private Investitionen ermöglichen. Als Dienstleister sind die Kreditplattformen daher kaum noch aus dem bestehenden Gefüge ganz unterschiedlicher Plattformen wegzudenken.